Max Winter
Bei den Sklaven der «Alpinen»
Eine Nacht im Schwechater Werk
I: Österr. Metallarbeiter Nr. 51 vom 20. 12. 1900
Die alpine Montangesellschaft hat in ihren Werken eine Einrichtung, die durch die übermäßige Ausnützung der Hüttensklaven nothwendig wurde. Es ist die Institution der «Reserver», der Reservearbeiter, die bei jeder Schicht anwesend sein müssen, um sofort einspringen zu können, wenn Einer oder der Andere der Ueberanstrengung oder der übermäßigen Hitze erliegen sollte, wenn Einem oder dem Anderen etwas «Menschliches» passiren sollte, daß er vielleicht auf den rothglühenden Trichter, der die Gicht des Hochofens abschließt, stürzt, daß ihm glühendes, flüssiges Eisen ins Auge spritzt, daß er sich beim Tauchen oder Ziehen der Erzkarren oder Luppenwagen ein Glied verrenkt, daß er dank der guten Beleuchtung oder geblendet von dem offenen Bogenlicht in eine Aschengrube fällt. Kurz, wenn Einer oder der Andere von einer der tausend Gefahren erreicht wird, die den Hüttenarbeiter stets umlauern, dann muß der Reserver an seinen Platz treten, um weiter frohnden zu können, denn der Betrieb darf keine Störung erleiden.
So ist das auch im Schwechater Werk der alpinen Montangesellschaft. Auch dort macht ja die regelmäßige 12stündige Schicht und die 18stündige Wechselschicht die Einrichtung der Reserver nothwendig. Ohne diese Reservesklaven könnte der Betrieb gar oft nicht ungestört fortgehen. Vom Standpunkte des Geldsackes ist diese Reservetruppe also unerläßlich. Die Einrichtung kann mithin auch nicht so arg kompromittirt werden, daß sie aufgelassen würde und dadurch vielleicht die Arbeiter zu Schaden kämen. Das ist ausgeschlossen, und darum konnte ich mich ohne Bedenken darauf einlassen, in der unauffälligen Maske des Reservearbeiters eine Nacht im Schwechater Werk zuzubringen.
Mein Führer und ich passirten ungehindert das Thor, wir konnten ungehindert den Hochofenprozeß beobachten, die Abstiche, die Schlackengewinnung, wir konnten auf die Gicht steigen, die Arbeit der Puddler verfolgen, wir konnten uns im Walzwerk umsehen, die Speisen in der Kantine kosten und da und dort intimeren Einblick in die Arbeit und Arbeitsverhältnisse der Hüttenarbeiter gewinnen.
So klein das Schwechater Werk im Vergleich zu anderen Werken ist, wir konnten doch genug sehen. Kam einmal Einer und fragte uns, was wir da thun, so genügte ihm das lakonische: «Reserven!» meines Führers vollkommen. Der Reservearbeiter hat eine gewisse Bewegungsfreiheit innerhalb des Werkes, und auch diese ist eine nothwendige Einrichtung im Interesse der – Aktionäre. Hätten die Reserver nicht die Bewegungsfreiheit, dann müßten sie Unterkunftsräume im Werk haben. Diese fehlen aber gänzlich, und wie wir den Geldsack kennen, wird er sich auch nicht so rasch entschließen, den Reservearbeitern geeignete Unterkunftsräume zu bauen.
So kam uns also diese Einrichtung, die sonst nur zum Schutze der Ausbeutung dient, vortrefflich zu statten, umsomehr, als die Erfahrung lehrt, daß der Kapitalismus nur widerwillig Einblick in seine Betriebsstätten gewährt. Es ist nicht gut, meinen die Herren, wenn Sozialdemokraten überall ihre Nase hineinstecken, es kommt höchstens eine «Verhetzung der Arbeiter» heraus, die mit ihrem glänzenden Los natürlich immer zufrieden sind und sich nichts Besseres wünschen, als bis an das frühe Ende ihrer Tage ihre Haut täglich 12 Stunden zu Markte zu tragen. Die stillen Seufzer und die im Donnergetöse der Arbeit verhallenden lauten Flüche hören sie ja nicht und die im Sack geballten Sklavenfäuste sehen sie nicht ... Aber so ein böser Sozialdemokrat sieht sie, wenn er als Arbeiter zu Arbeitern kommt, und er hört die Seufzer und Flüche. Darum wählte ich diesen Weg.
Die Herren der Alpinen Montangesellschaft werden mir verzeihen, daß ich so gehandelt habe, ja, sehr gerne verzeihen, denn ich werde den Finger auf manche offene Wunde legen, die sie bisher übersehen haben und die zu heilen, gewiß ihr dringendster Wunsch sein wird.
Also frisch ans Werk!
Was es zu schauen gibt. Wir machen zuerst einen flüchtigen Rundgang, der uns mit den Einrichtungen im Werk vertraut machen soll. Das Schwechater Werk hat zwei Hochöfen in Betrieb, die je nach Bedarf Weiß- oder Graueisen erzeugen. Der Weiterverarbeitung des Eisens dienen 6 Puddelöfen mit zwei Dampfhämmern und 3 Schweißöfen für die Fein- und Mittelstrecke im Walzwerk, wo die für Weiterverarbeitung nöthigen Eisensorten gestreckt, beschnitten und für den Verkauf adjustirt werden. Außerdem gehören zum Werk: eine Gießerei mit einem großen «Kuppelofen», eine Kalkbrennerei, je eine Erz- und Cokesrutsche, eine Schlackenbrecherei, eine Schlackenziegelei, eine Chamot-Ziegelmühle, eine Schlosserei, Dreherei, Schmiede und Tischlerei, das Maschinenhaus zum Betrieb der zwei riesenhaften Luftpumpen, die das für den Hochofen nöthige Gebläse in zwei Kessel treiben, von wo sie einen natürlichen Abzug in die zwei Winderhitzer (Whitwellapparate) finden, ein Kesselhaus mit acht Kesseln von denen in der Regel sechs im Betrieb sind, dann außerdem noch zwei Kessel im Puddelwerk, im Ganzen 17 Maschinen, zwei Gasgeneratoren, ein Gasreinigungsapparat, eine Unzahl Kraniche aller Arten, Aufzüge auf die Gichten und den Schlackenberg, eine Dynamo zur Erzeugung des elektrischen Lichts, eine kleine Lokomotive zur Beförderung der Schlacken und zum Verschubdienst innerhalb des Werkes, ein Magazin, Kanzleien, Wächter- und Portierhäuser und noch manches Andere, was in dieser Aufzählung nicht Berücksichtigung finden kann.
Wollen wir nun das Wichtigste kennen lernen, den Prozeß der Eisengewinnung und Veredlung, und dabei Rücksicht nehmen auf die Lohn- und Arbeitsverhältnisse der einzelnen Kategorien, so haben wir Eile. Die Nacht muß ausgenützt werden.
Bei den Hochöfen.
Die äußerste Wiener Verbindungsbahn Westbahnhof – Klein-Schwechat – Heiligenstadt führt hart an dem Schwechater Hüttenwerk vorüber. Verläßt der Zug die Station Klein-Schwechat, so wird man bald zur Rechten die Hochofenanlage gewahr. Kaum hat noch der Zug die Schwechaterstraße übersetzt, so ist man eigentlich schon im Bereich der Alpinen. Zur Rechten zweigt ein Geleise ab, das direkt zu den Erz- und Cokesrutschen des Werks führt. Von oben wird das zugeführte Material in die Schüttkasten geworfen, die stets entsprechend gefüllt sind. Unten an den holzverkleideten Fronten sind kaum in Manneshöhe die schräg abfallenden Ausläufe (Rutschen) angebracht, von wo das Erz und der Cokes in die unterschobenen eisernen Karren – Erz- und Cokeswagen – stürzen. Ist der Wagen voll, dann schieben ihn die Erz- und Cokesfahrer auf Schienen zur «Schale», auf der die gefüllten Wagen zur Höhe der «Gicht» gebracht werden.
Aber längst ist unser Zug schon an diesem Bild vorüber. Vier Schornsteine – einer davon ist besonders mächtig – überragen den Komplex von thurm- und kesselartigen Bauten, die die Hochofenanlage bilden. Wir sehen zwei mächtige Rundthürme, die Hochöfen, die durch eine Eisenkonstruktionsbrücke, das «Gicht»-Plateau mit einander verbunden sind. In der Mitte geht der große mit Luftdruck betriebene Aufzug, auf dessen Schale sechs bis acht Erzwagen Platz haben, zur Höhe der Gicht. Hinter den Rundthürmen, die von einem Netz von Eisenröhren umfangen sind, bauen sich zwei gepanzerte Kessel bis zu einer Höhe von 18 Meter auf. Es sind die Whitwell’schen Heißluftapparate. Sie sind durch dicke Röhren sowohl mit den Hochöfen als auch mit den hinter ihnen stehenden kleineren Windkesseln verbunden, in die die Luft von zwei mächtigen Pumpen mit riesenhaften Balancearmen gepreßt wird. Die Pumpen sind in dem Maschinenhaus, das hinter den Windkesseln errichtet ist, untergebracht.
Dann führt der Zug längs des Schlackenberges, den die Alpine dort errichtet hat und dem sie täglich neues Material zuführt. Eine halbe Minute, und auch dieses Bild liegt hinter uns. Gegen Kaiser-Ebersdorf zu fahrend, macht der Train eine scharfe Kurve, und das Bild ist ganz unserem Auge entrückt. Freilich ist es gleich darauf von der linken Seite des Waggons aus zu sehen.
In Qualm und Rauch gehüllt liegen die Bauten da. Von Zeit zu Zeit schlägt es feurig roth aus der «Gicht». Da wird dann frisch gegichtet. Plötzlich ist Alles wieder in Rauchwolken gehüllt. Ein düster-gespenstisches Bild!
Von den Cokes- und Erzfahrern. Es ist 6 Uhr Abends – die Nachtschicht hat kaum begonnen – als wir unseren Rundgang in der Nähe der Hochöfen beginnen. Im Walzwerk und bei den Puddelöfen ist es noch nicht ganz geheuer für die «Reservearbeiter», und so huschen wir ungekannt und unbelästigt durch die schmalen Straßen, die von der Gicht weg, vorbei am Einserofen, zwischen den Whitwell’schen Apparaten und den Windkesseln und endlich am Maschinenhaus vorbei zu den Materialrutschen führen. Diese engen, dumpfen, schmutzigen, finsteren Straßen sind mit holperigen Schienen belegt, auf denen die Cokes- und Erzfahrer die schweren eisernen Karren vor sich hinschieben, die das Futter für den Hochofen enthalten.
Je nach der Beschaffenheit des Eisens muß auch das Futter des Hochofens zusammengesetzt werden. Auf dem Einserofen wird heute Graueisen gemacht. Dazu sind per Gicht etwa 10 Wagen Cokes, 5 Wagen Erz, 1 Wagen Kohle und 1 Wagen Kalkstein nöthig, im Ganzen etwa 37 Meterzentner Erz und 28 Meterzentner Cokes. Diese werden zugeführt von 10 Cokesfahrern, 5 Erzfahrern, 1 «Steinerführer» und 1 Kohlenführer. Bei der «Schale», wie der Aufzug kurz genannt wird, nimmt der Einschalter die Wagen in Empfang, die vorher der Erzabwäger, der sein eintöniges Leben in dem kleine Waghüttel neben der Schale verbringt, auf ihr Gewicht geprüft hat. Der Einschalter hat auch die Verpflichtung, das Klaubeisen, das ist der Roheisenabfall aus der Gußhalle, auf die Wagen zu werfen, damit es nicht verloren gehe.
Der Erzabwäger hat einen Schichtlohn von fl. 1.55 und 2 kr. von jeder Uebergicht, das ist von jeder Gicht, die über 32 Normalgichten auf beiden Oefen gemacht wird. Alle übrigen mit der Zufuhr beschäftigten Personen haben einen Gichtlohn von fl. 1.45 und ebenfalls 2 kr. für die Uebergicht, die ebenso berechnet wird, oft zum nicht geringen Schaden der Materialführer. Normal müßte jeder Ofen in 24 Stunden 16 Gichten machen, was darüber wäre, hätte als Uebergicht zu gelten. Da bei der Berechnung aber nur die Gesammtleistung beider Oefen gilt, so kann ein technisches Gebrechen bei dem einen Ofen die Materialführer des anderen sehr schädigen. Es kann vorkommen, daß der Einserofen 20 Gichten und der Zweierofen nur 10 Gichten macht. Die Materialführer hätten also beim Einserofen auf 4 Uebergichten Anspruch, das heißt auf je 8 kr., was bei Arbeitern, die ihre ganze Arbeitskraft um 12 kr. per Stunde verkaufen müssen, schon etwas ausmacht.
Die Zeitdifferenz zwischen zwei «Abstichen» beträgt in der Regel 3 bis 4 Stunden, und in dieser Zeit werden wieder in der Regel 6 bis 7 Gichten per Ofen gemacht. Gibt es aber technische Störungen, zum Beispiel, daß das eingeworfene Material im Ofen hängen bleibt und nicht in die Schmelzzone kommt oder daß der Abstich mißglückt und eine «Sau» herauskommt, das heißt, daß das abfließende Eisen nicht die vorgebahnten Wege geht, sondern daß es, die Abstichöffnung erweiternd, den Raum zwischen Ofen und Gußhalle als entfesseltes Element überfluthet ... kommen solche Störungen vor – und namentlich die erstgenannten sind nicht allzu selten – dann leidet darunter im Lohn Alles, was beim Hochofen beschäftigt ist. Die Prämien, welche die beständige Peitsche für die im Festlohn Arbeitenden sind, entfallen, sie entfallen, wenn sich auch die andere Partie noch so sehr schindet und martert, um einige Kreuzer über den normalen Hungerlohn zu verdienen.
Es ist ein trauriges Dasein, das diese Erz- und Cokesfahrer dahinleben. In gräßlicher Eintönigkeit müssen sie Tag für Tag oder Nacht für Nacht, je nachdem sie gerade die Schicht trifft, die Karren vor sich her schieben, immer und immer wieder durch die dumpfen, schmierigen Gassen ihren Weg trotten, keuchend und ächzend...
In der «Bude». Nach zwölf Stunden fallen die Erzführer dann hin auf ihr Lager irgendwo draußen in den Elendshäusern von Mannswörth, Albern, Kaiser-Ebersdorf oder Schwechat. Während der zwölfstündigen Schicht gibt es wenig Ruhepausen. Diese verbringen sie in der «Bude», einem stark geheizten, kleinen, niederen Raum beim Einserofen, der kaum für zehn Menschen Luftraum hat, auch nur zu kurzem Aufenthalt, der aber für 20 Sitzgelegenheit bietet.
Da sitzen sie dann drinnen und würgen ihre Erdäpfel oder sonst etwas hinunter, was sie sich mitgebracht haben, um sich während der Arbeit zu «stärken». Ein scharfer Dunst von Schnaps und Rauch schlägt dem entgegen, der diese vollkommen ungenügende Erholungsstätte betritt. Das Auge muß erst den Rauch durchdringen, bis es die Elendsgestalten, die um die zwei Tische herumsitzen, gewahr wird. Zusammengepfercht sitzen sie da, Einer auf dem Andern, Leib an Leib, fast jede Bewegungsfreiheit ist ihnen benommen..., so schlingen sie ihre Mahlzeit hinunter.
Man denke sich dazu als Gegensatz die reichbesetzte Tafel des Direktors, die Behaglichkeit eines angenehm erwärmten, hellerleuchteten luftigen Speisesaals, die Blumen da und dort, das Silbergeschirr, das kostbare Porzellan, die elegant gekleidete Gesellschaft, die befrackten Herren und die Damen in Seide und Sammt, die Kronleuchter, den Kamin, die livrirten Diener, kurz, den ganzen Luxus der Reichen, und man wird es begreifen, daß der Herr Direktor Menschen, die die sozialen Gegensätze kennen, den Einblick in das Leben der Hüttensklaven am liebsten verwehren möchte.
Auf der Gicht. Nachdem wir uns genug in den Gassen umgethan haben, steigen wir zur Höhe der «Gicht», um das Leben und Treiben da oben in luftiger Höhe zu schauen. Eine eiserne Treppe mit Absätzen von je fünf Stufen führt uns hinauf. Oben ist die Treppe durch eine Thür abgeschlossen, durch die wir in einen kleinen Raum, den Erholungsraum der sechs Gichter kommen. Der eiserne Kasten ist kaum größer als die Einzelkabine eines Donaudampfers. Etwa zwei Meter Tiefe und Höhe und anderthalb Meter Breite – das sind seine Dimensionen. An den Längswänden führen Bänke, auf denen die Gichter sitzen. Sie haben eben kurze Rast. Wir treten auf das Gichtplateau, das mit eisernen Platten gepflastert ist. Zwei Meter hohe Eisenwände schließen den Blick nach außen etwas ab. Sie haben offenbar den Zweck den Wind ein wenig aufzuhalten, entsprechen aber diesem Zweck kaum. Stürmt und weht es recht, dann ist es hier oben ebenso unerträglich, wie in der sommerlichen Gluth, die sich heiß auf die Platten legt. Grimmige Kälte im Winter, strahlende Hitze im Sommer, das sind die Witterungskontraste hier oben.
Gerade gegenüber der Erholungskabine ist die Schale, die jetzt oben steht. Dann dehnt sich das Plateau gegen die Gicht zu. Die Gicht ist in ihrer ursprünglichen Bezeichnung eigentlich nur der obere Rand des Hochofens, die Einschüttöffnung des Hochofens. In der Sprache der Hochofenarbeiter hat dieser Begriff – wie wir gesehen haben – allerdings auch schon andere Deutungen gefunden. Die Gicht nennt der Hochofenarbeiter die ganze Eisenkonstruktion, auf der man zur Einschüttöffnung des Hochofens gelangt, und die Gicht ist ihm zugleich ein Maß: «Sieben Gichten auf einen Abstich.» Er meint damit das siebenmalige Nachfüllen des Materials. Nun stehen wir aber endlich vor der eigentlichen Gicht, einer kreisrunden, nach unten trichterförmig durch den sogenannten «Konus» abgeschlossenen Oeffnung. Die Arbeiter sind mittlerweile aus ihrer Bude herausgekommen und haben die an den Rand des Konus angeschobenen Karren in den Konus entleert. Ein Erzwagen stand auf der «Gichtbrücke», einem schmalspurigen Stockgeleise, das bis zur Mitte der Gicht führt. Auch er wurde entleert und zwar gerade in die Mitte des Trichters, während der Inhalt der anderen Wagen die konisch ansteigenden Flächen bedeckte.
Die Wagen werden zurückgeschoben und an den Wänden des Gichtplateaus aneinandergereiht. Plötzlich öffnet sich der Rachen des Ofens. Durch mechanischen Druck gibt der Boden des Konus nach. Mit Getöse stürzt das aufgeschichtete Material in den feurigen Schlund, eine Rauchwolke steigt auf und gleich darauf taucht ein Feuerbrand, hoch empor lodernd, die Umgebung in gluthiges Roth. Ueber der Gicht ist auf lichte Konstruktion ein Kesselkranz aufgesetzt. Ueber diesen hinaus fliegt die Flamme, die durch den Kesselkranz nur verhindert wird, auf das Plateau zu schlagen. Stürmt es recht, dann ist diese Vorrichtung freilich auch nichts nutz. Jetzt geht das Flammenroth in bläuliches Irrlichtern über, dann fliehen violette Flammenzünglein an dem eisernen Querbalken hin, der unter der Kesselwand ist. Der Konus ist schon wieder geschlossen, und nur die beim Oeffnen entwichenen Gase leben ihr kurzes Flammendasein aus.
Ein schaurig schöner Anblick!
Eine Minute, und der ganze Spuk ist vorüber. Die tiefdunkle Nacht dahinter scheint noch schwärzer. Nur der offene Cokesofen zur Rechten des Konus, der mit riesigen Kohlenstücken angeheizt wird, glüht wie zuvor leuchtend.
Die Gefahren der Gicht. Während wir uns ganz dem Aufnehmen des Bildes hingeben, sind die Gichter schon wieder an der Arbeit. Sie schieben die entleerten Wagen auf die Eisenplatten zur Schale, auf der sie angereiht werden. Zwei von ihnen fahren mit zur Tiefe. Da die Schale abgeht, klappt mit lautem Schlag eine Eisenstange ein, die das Plateau als Schutzschranke gegen den nun geöffneten Aufzugsschacht zu abschließt. Während die zwei Mann unten mit Hilfe des Einschalters die entleerten Wagen durch volle ersetzen, prüft oben einer der Gichter durch Hinabstoßen einer Meßstange, wie viel Raum im Ofen ist und ob die letzte Gicht sich nicht verstaut hat, ein anderer kehrt das Plateau ab, damit die Karren, die im Schwechater Werk nicht in Schienen laufen, möglichst wenig Widerstand finden, und ein Dritter schürt den Ofen an und schaufelt die Abfallstücke in den Konus.
Wenige Minuten verstreichen, und das große Rad des Aufzuges ist schon wieder in Bewegung. Das neue Futter kommt herauf. Mit flinker Behendigkeit schieben die Gichter die Erz- und Cokeswagen, auch ein Kohlen- und ein Kalkwagen ist jetzt darunter, auf die Gichtbrücke und rund um den Rand des Konus, stemmen sich gegen die Wagenkasten, die sie heben und einkippen. Das Rädergestell bleibt in seiner Lage. Auf dieses mit einem Fuß gestützt, reißen sie nach der Entleerung wieder die Kasten zurück. Dabei gab es schon oft Unglück. Ernste Quetschungen sind nichts Seltenes.
Aber auch andere Dramen haben hier oben schon gespielt. Einmal stürzten gar zwei Gichter in der Hast der Vorricht, die sie allein zu besorgen hatten, auf den rothglühenden Konus, von dem man sie, bei lebendigem Leib geröstet, heraufzog. Seither ist ein Mann mehr bei der Gichterpartie.
«Der Gang zum Eisenhammer» der Moderne! An die Stelle des zornwüthigen Grafen von Savern ist der profitwüthige Kapitalismus getreten. Der Graf in dem Schiller’schen Gedicht will, aufgestachelt von einem Ohrenbläser, Rache an dem scheinbar ungetreuen Diener nehmen, reitet ins nahe Holz,
Wo ihm in hoher Oefen Gluth
Die Eisenstufe schmolz*)
Hier nährten früh und spat den Brand
Die Knechte mit geschäft’ger Hand;
Der Funke sprüht, die Bälge blasen,
Als gält es, Felsen zu verglasen.
Und zweien Knechten winket er,
Bedeutet sie und sagt:
«Den ersten, den ich sende her,
Und der Euch also fragt:
‹Habt Ihr befolgt des Herren Wort?›
Den werft mir in die Hölle dort,
Daß er zu Asche gleich vergehe,
Und ihn mein Aug’ nicht weiter sehe.»
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Wie die Knechte, «das entmenschte Paar», den Befehl ausgeführt haben, erfährt dann der unschuldig vernaderte Diener, der sich am Weg verspätet hat:
Und als er rauchen sieht den Schlot
Und sieht die Knechte steh’n,
Da ruft er: «Was der Graf gebot,
Ihr Knechte, ist’s gescheh’n?»
Und grinsend zerren sie den Mund
Und deuten in des Ofen Schlund:
«Der ist besorgt und aufgehoben
Der Graf wird seine Diener loben.»
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Die Knechte hatten mittlerweile den Ohrenbläser dem Ofen überliefert.
Wer da hineinfällt, ist verloren! Und der Kapitalismus hat die Schiller’sche Legende zur Wahrheit gemacht. Manch ein Gichter hat schon in den Feuerschlund müssen. Ein Fehltritt, und er war unten im Feuergrab, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Bei kürzeren Schichten und entsprechend vielen Arbeitskräften wäre jeder solche Mord unmöglich. Freilich wäre dann die Profitrate etwas geringer. Kürzere Schichten und mehr Arbeitskräfte kosten Geld, viel Geld, bekommt doch so ein Gichter für zwölfstündige Arbeit 1 fl. 75 kr. und für jede Uebergicht 4 kr. Eine enorme Summe zum Beispiel für den Slovaken, der uns unaufgefordert sagt, daß ihm da heroben die liebste Arbeit ist. Er war früher «Luppenradler» – das ist die schlimmste Arbeit im Werk – und schätzt sich jetzt glücklich, daß er da oben seine Haut zu Marke tragen darf. Schier unerschwinglich ist aber diese Summe, mehrmals multiplizirt, für die armen Aktionäre.
Dennoch mußte sich die Direktion nach dem letzten Unfall zur Vermehrung der Gichter entschließen.
Zur Abfahrt benützen wir die Schale.
Die Schlackengewinnung und -Verwerthung. Das Erz hat auf seinem Wege von der Gicht bis zum «Gestell», wo der Abstich bewerkstelligt wird, auch die sogenannte Heißluftzone zu passiren, das heißt jene Stelle im Inneren des Ofens, wo durch das Gebläse die früher in den Winderhitzern (Whitwell’schen Apparaten) glühend gemachte Luft eindringt. Würde nun das Erz, das hier schon flüssig ist, direkt der glühenden Luft ausgesetzt sein, so würde es unter dem Einfluß der hohen Temperatur einfach wieder zu Eisenoxyd verbrennen. Um dies zu verhindern, werden die Erze mit «Zuschlägen» versehen, die bewirken, daß noch eine andere Masse im Ofen flüssig wird. Diese andere Masse ist die Schlacke, eine Art Glas, das, Kieselsäure, Thonerde, Kalk und Magnesia enthaltend, erst dann zusammenschmilzt, nachdem das Eisen genügend Kohlenstoff aufgenommen hat, um Gußeisen zu sein. Durch das spätere Schmelzen des Glases werden die Metalltropfen von der Schlacke eingehüllt, und in diesem Mantel passiren die Metalltropfen die Heißluftzone, ohne daß sie wieder verbrennen würden. Erst unterhalb der Heißluftzone trennt sich das schwere Metall von der leichteren Schlacke, die nun auf dem flüssigen Erz wie Oel auf Wasser schwimmt.
Ist der Prozeß soweit, dann muß die Schlacke abgelassen werden. Der Schlackenabstich wird an der dem Erzabstichloch entgegengesetzten Seite des Ofens bewerkstelligt. Da die Schlacke kein reines Abfallprodukt ist, sondern noch weiter verwendet wird, so sind eine Reihe von Einrichtungen getroffen, um die Schlacke aufzufangen. Im Schwechater Werk kennt man nur die primitivsten: das Auffangen in «Mänteln» die «Bojazzeln» und das Zerstäuben der Schlacke in einem Wasserkanal, aus dem dann der Schlackensand gebaggert wird.
Diese letzte, interessante Verwerthung der Schlacke sehen wir beim Zweierofen, in dem Weißeisen geschmolzen wird. In zweifingerdickem Strahl rinnt die glühend flüssige Schlacke durch eine schräge Rinne ab und fällt dann in einen anderthalb Fuß breiten Wasserkanal. Unter immer erneutem Gezische stürzt der glühende Strang ins Wasser, über dem weißwolkige Dämpfe hinziehen.
Darunter leuchtet es gluthig-roth herauf – es ist, wie wenn Wasser brennen würde.
Kaum drei Meter weit weg hebt eine Baggermaschine schon die zu einem scharfkantigen Sand gestäubte Schlacke aus dem nassen Grund und wirft sie in Schlackensandkarren ab, die von den Schlackenführern zu der Schlackenziegelei geführt werden. Aus dem Schlackensand wird nämlich ein Ziegel gewonnen, der namentlich für Wasserbauten besonders widerstandsfähig sein soll.
Das Ablassen der Schlacke in die «Mäntel» zeigt in den ersten Stadien dasselbe Bild. Nur fällt die Schlacke von der Rinne weg nicht in das Wasser, sondern in den Mantel, eine viereckige Form, die auf einem Rädergestell ruht. In diesen Mantel fließt die Schlacke, füllt ihn bis zum Rand, dann wird der Karren beiseite geschoben und durch einen neuen ersetzt, so lange Schlacke fließt. Ist die Schlacke zu Ende, dann werden die Mäntel mittelst Kranichen abgehoben, und zurück bleibt der mittlerweile schon so weit erkaltete Schlackenstock, daß er eine feste Masse bildet. Diese Schlackenstöcke wandern in die Schlackenbrecherei, wo sie zu dem in der Nähe des Schwechater Werkes überall verwendeten Schlackenschotter zerkleinert werden.
Der Rest der Schlacke und namentlich auch die nach dem Abstich noch abfließende Schlacke wandert auf den «Schlackenberg». Die Restschlacke wird vom Erzabstichloch weg durch offene Rinnen zu Gruben geleitet, in die ein Eisenbogen derart gesteckt wird, daß der freibleibende Bogen eine Handhabe zum Ausheben der Schlackenkuchen bildet. Diese Schlackenkuchen mit dem Eisenring heißen «Bojazzeln». Der Schlackenberg erhebt sich gegenüber den beiden Hochöfen. Er hat schon riesige Dimensionen angenommen. Schon wird er von einer Schlackenmauer umgeben, damit das von oben nachgeschüttete Material sich nicht verläuft. Er ist schon so hoch, daß die Schlacke mittelst eines eigenen Aufzuges zur Höhe gebracht werden muß. Zum Aufbau des Berges sind vier Mann da, zwei Arbeiter unten, zwei oben am Kamm des Berges der sich bis zur Werksgrenze zieht.
Der Berg hätte schon einmal von irgendeinem sonderbaren Schwärmer erstanden werden sollen. Es kam aber keine Einigung wegen des Preises zu Stande, und so wächst das Ungethüm.
II: Österr. Metallarbeiter Nr. 52 vom 27. 12. 1900
Die Schlackenführer, die eine gleich gefährlichere Arbeit wie die Erz- und Cokesführer haben, sind etwas besser gezahlt. Es sind bei jedem Ofen vier. Ihr Schichtlohn beträgt fl. 1.65 und außerdem erhalten sie für jede Uebergicht 3 kr. Auch sie sind also durch eine Prämie zu erhöhter Anspannung ihrer Kräfte veranlaßt und auch sie können mitunter trotz erhöhter Leistung um ihre Prämie gebracht werden, da ein Ofen vom anderen abhängig ist. Die erhöhte Gefahr besteht darin, daß sie es mit heißflüssigem Material zu thun haben.
Die Bedienungsmannschaft des Schlackenberges, die nur bei Tag arbeitet, ist verschieden gezahlt. Die zwei Mann oben am Berg, die sich furchtbar schinden müssen beim Vorwärtsschieben der Karren haben den Riesenlohn von fl. 1.45, die zwei unten bekommen fl. 1.10. Der Maschinenwärter, der die Aufzugsmaschine bedient, hat im Tag Fl. 1.60.
Zur Zufuhr der Schlacken dient bei Tag auch eine kleine schmalspurige Lokomotive, die die Wagen an die gewünschte Stelle bringt. Bei Nacht müssen Menschenkräfte verrichten, was bei Tag die Maschine besorgt! Woran dies liegt, war nicht zu erfahren. Offenbar scheut die «Alpine» die Kosten der Anlage und eines zweiten Maschinenführers und eines Weichenwärters, der dann nöthig wäre.
*
In der Gußhalle, dem großen gedeckten Raum vor der Abstichöffnung, war inzwischen Zeit zur nothwendigen Vorarbeit für den Abstich. Die Halle ist leer und der Vorschmelzer und seine Gehilfen, die Schmelzer können nun an die Vorarbeit für den nächsten Abstich gehen. Vom Stichloch weg führt eine schuhbreite Rinne gegen die Gußhalle zu. Zunächst muß diese rein gemacht, das heißt, von den Schlacken befreit werden. Dann wird die Rinne mit gelbem Formsand ausgearbeitet, und zwar bis zur ersten Kreuzung. Diese ist an der Grenze des eigentlichen Abstichraumes und der Gußhalle. Die Grenze ist durch Pfeiler markirt. Hier zweigt sich die Rinne. Eine mäßig abschüssige Rinne führt – vom Stichloch aus gesehen – zur rechten, eine zweite zur linken mit «Lösch» gefüllten Hälfte der Gußhalle. In der Mitte bleibt ein freier Gang, der um etwa anderthalb Fuß tiefer liegt, als die Löschbecken. In diese müssen nun die «Beeteln» gemacht werden. Auf die stark befeuchtete Lösch – durch gereuterter Cokesstaub – werden Holzformen aufgelegt und dann zugeschaufelt. Dann werden die Zwischenräume zwischen den Modellen mit den Füßen festgestampft, so daß die Lösch die gewünschte Form behält, wenn die Modelle herausgenommen werden. Ist auch dies geschehen, so haben die Löschfelder ganz die Form von sauber gearbeiteten Gemüsebeeten in Gärten. Beet reiht sich an Beet, zehn hintereinander auf jeder Seite. Die Lösch hat feste Form, bildet kleine Mauern, während durch das Ausheben der Holzformen gleichmäßige tiefere Räume entstanden sind. In diese ergießt sich später das flüssige Eisen, das durch die zum Stichloch senkrecht stehende Hauptrinne abfließt und vor den Thoren der Beete durch Vorhalten von eigenartig geformten Schaufeln in die waagrechten Hauptrinnen der Beete abgeleitet wird und nun alle Hohlräume mit seiner glühend rothen Masse füllt.
So weit sind wir aber noch nicht.
Während die Schmelzer die «Beeteln» machen, muß der Vorschmelzer den Schmelzprozeß im Ofen beobachten. Durch die an der Windführung angebrachten blau verglasten Gucklöcher hat er Einblick in das Innere des Ofens. Da drinnen brodelt’s und geht es, daß es eine Freude ist. Wenn es recht lebendig ist, wenn die Stücke gehen, sich glühendes Stück in glühendes Stück zu schieben und in ihm aufzugehen scheint, dann ist es gut.
Mittlerweile ist rückwärts am Ofen auch schon die Schlacke reif zum Ableiten geworden. In glühendem Strahl rinnt sie in die Behälter oder in den Kanal. Nur wenige «Pfannen» voll, eigentlich Zuber an einer Stange, fangen die Schmelzer auf, um damit die Rinne auszutrocknen. Die glühende Schlacke wird aufgeschüttet und verhärtet bald. Ist auch dies geschehen, dann ist es zum Abstich nicht mehr weit.
*
Der Abstich wird, je nachdem alle 3 bis 4 Stunden vorgenommen. Oft vergehen auch 4 ½ Stunden, bis der Schmelzer mit ruhigem Gewissen an den Abstich gehen kann. In dem Moment, als rückwärts die Schlacke abgestellt wird und der glühende Strom versiegt, wird es in der Gußhalle lebendig. Der Vorschmelzer tritt zu dem verkeilten Stichloch, setzt die Stichstange schräge an und der erste und zweite Schmelzer treiben nun durch wuchtige Hammerschläge die Stange in die Vermauerung der Stichöffnung. Der dritte Schmelzer legt einstweilen an die Beetelthore die eigenthümlich geformten Schaufeln, die «Ballen» an. Sein Schritt ist unhörbar leise in dem weichen Schutt. Nur die dumpfen Hammerschläge durchzittern die Halle.
Endlich ist die Stange genug tief eingedrungen. Sie wird nun auf einen Bock gestützt, ein Schrottmeißel wird angesetzt, dessen scharfe Schneide unter der Wucht der auf den Hammer niedersausenden Schläge in die Eisenstange eindringt und dadurch das Herausschlagen der Stange möglich macht. Zehn, zwanzig, dreißig Schläge sind schon niedergefallen, noch ein Schlag und noch einer, jetzt weicht die Stange und aus dem Stichloch, einer etwa 6 Zoll breiten und 8 bis 10 Zoll hohen Eiform, ergießt sich der rothglühende Strom des Eisens. Was in der Oeffnung ist, reißt der Strom zunächst mit und trägt es fort durch die Rinne den Beeten zu. Schon hat er das dritte Beet erreicht. Lautlos wälzt sich die Masse, gestaut durch einen Ballen, in die Quergasse und von hier in die Formen. Rasch frißt sich der glühende Strom fort.
Ein dämonisch schönes Bild, das voll zu genießen die furchtbare Hitze leider fast unmöglich macht. Ein Meter von der Rinne entfernt ist es schier unerträglich und die Feuermenschen, die hier hantiren, lassen sich doch nicht irre machen. Ihnen ist der glühende Strom unterthan. Sie lenken und leiten ihn wie sie wollen. Kommt der Glühstrom hier und dort mit einer besonders feuchten Löschstelle in Berührung, dann spritzen Sternchen auf, bläulich-weißes Licht verbreitend. Da und dort häufen sie sich in Massen, namentlich beim Weicheisenguß, der in feste Formen geleitet wird. Ein Irrlichtertanz beginnt über den Beeten, und an den schwarzen Löschbarrieren huschen bläuliche Gasteufelchen hin.
Das entweichende Gas verbrennt. Beet um Beet wird gefüllt. Schon hat der Strom das siebente oder achte in der Reihe erreicht und die Schmelzer sind schon in Bereitschaft, durch Aufwerfen von Lösch an der Hauptzweigung der Rinne den Strom in das linke Gußfeld abzuleiten, als ein anderes Bild unsere ganze Aufmerksamkeit fesselt.
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Das Abbrechen des Roheisens vollzieht sich vor unseren Augen. Die «Eisenakkorder» treten in Aktion. Noch strahlt das gluthige Eisen Höllenhitze aus, aber schon rücken ihm die Eisenakkorder an den Leib. Ein Riesenmensch schaufelt Lösch auf die ersten glühenden Stücke, und im nächsten Moment springt er über die rechtseitige Hauptrinne, in der noch das Eisen rinnt, schon ins Beet, auf dem er nun förmlich herumtanzt, überall die glühenden, nun schon gefesteten Eisenkörper mit Lösch verdeckend. Zwei Beete hat er also verdeckt, dann sticht er mit der eisernen Brechzange unter die meterlangen Querbarren, die in den Beeten liegen und bricht sie von den Längsbarren ab. In roth glühenden, weichem Zustand ist das Eisen noch leicht zu brechen. Ist er damit fertig, kommt ihm ein Zweiter zu Hilfe, der einen langstieligen einförmigen Hammer, den Schlägel, auf den Längsbarren niedersausen läßt, den der Andere aus der Lösch gehoben hat. Dumpf fällt der Schlag auf, der Längsbarren ist entzwei, und so wird ihm Stück um Stück abgebrochen. Die Stücke – «Massel» heißen sie in der Sprache der Hochofenarbeiter – bleiben dann liegen, bis sie etwas abgekühlt sind, dann werden sie mit Wasser bespritzt und «aufgeriss’n», das heißt sie werden von den Eisenakkordern, die jetzt Schutzleder an den Händen tragen, aus der Lösch gehoben und entweder sofort verladen oder im Hof aufgeschichtet.
Beim direkten Verladen sind sie besser daran. Sie haben dann 3 kr. per Meterzentner, während sie für das Aufschlichten im Hof nur 2 kr., und für das spätere Verladen dieses Materials nur 1 kr. haben. Als wir uns später zum Gehen wendeten und noch mit einigen Eisenakkordern einige Worte wechselten, schätzte einer diesen Abstich auf 30 kr. per Mann – da es neun Mann waren – waren also fl. 2.70 Akkordlohn aufgelaufen, der, wie es hier der Fall war, bei direktem Verladen (3 kr. per Meterzentner) einem Quantum von 90 Meterzentnern Eisen entsprach. Es werden wohl 100 Meterzentner gewesen sein. Das ist das gewöhnliche Quantum, das bei einem Abstich abgeht.
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Arbeiterschutz und Profitjägerei. Das Abbrechen des glühenden Eisens ist eine verflucht gefährliche Arbeit, gegen deren Unannehmlichkeiten und Fährnisse die Eisenakkorder obendrein fast gar nicht geschützt sind. Sie alle tragen an den Füßen dicke wollene Strümpfe und weite Holzpantoffel mit starken Sohlen. Dieser ungelenke und unschmiegsame Schuh ist ihr einziger Schutz gegen die Angriffe der Glühhitze auf ihren Körper. Wie leicht können sie auf dem holperigen, unebenen, oft durch einen glühenden Barren verlegten Boden straucheln, wie leicht können sie einen Pantoffel verlieren bei ihrem Umherspringen in den Beeten! Sie selbst scheinen die Gefahr kaum zu achten. Gegen Schluß des Abbrechens konnten wir beobachten, wie vier, fünf Eisenakkorder auf der Lösch standen, und da sie gerade Muße hatten, sorglos miteinander schäkerten. Einer lief dem Andern nach, wie Rinder auf der Straße, so sicher fühlten sie sich auf dem glühenden Boden.
Das alte Lied: Der Mensch beachtet die gewohnte Gefahr nicht.
Zu den besonderen Gefahren dieser Arbeit gehört auch die Dampfentwicklung. Da der erste Eisenakkorder die feuchte Lösch aufschaufelt und auf die Beete wirft, entsteigen dem schwarzen Sand Qualmwolken, die in gespenstischen Formen um den Riesen tanzen, der die Massel aufreißt. Bald ist die Gußhalle ein einziges großes heißes Dampfmeer. Man glaubt in der Dampfkammer eines Schwitzbades zu sein. Wir wollten dieses Bild vom Eingang in die Gußhalle aus sehen und gingen durch die Gießerei, die zwischen den Gußhallen der beiden Hochöfen untergebracht ist, ins Freie, um den Eingang zur Gußhalle zu gewinnen. Knapp vor uns ging ein Eisenakkorder hinein. Als wir zwei Sekunden später selbst durch den Thorspalt huschten, war von dem Manne nichts mehr zu sehen. Er war in dem Dampfmeer verschwunden. Ja, selbst vor die in diesem Moment meterhohe Lohe, die aus dem Abstichloch schlug, hatte sich eine undurchdringliche Wolkenmauer geschoben. Nicht einmal ein schwacher Lichtschimmer ließ die Feuerstelle ahnen.
In diesem schier unerträglichen Qualm arbeiten die Eisenakkorder und im nächsten Moment müssen sie wieder ins Freie hinaus, in die kalte Dezembernacht. Auch robuste Naturen muß es da einmal niederwerfen. Wäre an die Gußhalle eine Kammer angebaut, in der die Eisenakkorder wenigstens einen Theil ihrer Kleider ablegen könnten, bevor sie an das Aufreißen und Abbrechen des Roheisens gehen, so könnten sie dann schon etwas gegen den raschen Temperaturwechsel gefeit sein. Sie haben Derartiges in ihrem Stumpfsinn noch nie verlangt und der Direktion ist es von selbst auch noch nicht eingefallen, die Arbeiter gegen die vielen Gefahren zu schützen, die ihnen drohen. Nicht einmal Holzpantoffel, die an der Ferse geschlossen sind und mit Riemen befestigt werden können, kann die arme Alpine ihren Eisenakkordern zur Verfügung stellen. Die Eisenakkorder müssen sich diesen Schutz selbst schaffen, kaufen sich aber wegen der Billigkeit natürlich die ganz gewöhnlichen Holzpantoffeln, die eher eine Gefahr bedeuten. Wie sollte denn die Alpine auf den Einfall kommen, die Eisenakkorder gegen den raschen Temperaturwechsel zu schützen!
Wird Einer krank, so ist dies sein Schicksal, sein Leichtsinn, seine Unvorsichtigkeit – die Arbeit ist halt nicht anders – und er mag sehen, wie er wieder gesund wird. Die Direktion geht es weiter nichts an. Eisenakkorder findet sie zehn für einen. In den umliegenden Bauerndörfern sind noch genug starke Burschen, die diese Arbeit eine Zeitlang aushalten.
Auch die Schmelzer haben keinen Erholungsraum, in dem sie von der Arbeit am flüssigen Gluthstrom verschnaufen könnten. Die Aktionäre der Alpinen bilden ja keinen Wohlthätigkeitsverein.
Das einzige Schutzmittel, das die Alpine den Eisenakkordern zur Verfügung stellt, sind die Fäustlinge und die Handschutzleder, mit denen sie das heiße Eisen anfassen müssen.
Daß außer den angeführten Schutzmitteln zumindest auch noch Schutzbrillen für die Hochofenarbeiter nöthig wären, sei beiläufig erwähnt. Gar viele Eisensorten, so das Achter- und Neunereisen spritzen. Das Weißeisen führt einen Funkentanz auf, wenn es in die angefeuchteten Eisenformen rinnt. Zwei, drei Meter weit springen die glühenden Eisentheilchen in Form von Sternchen. Ganz unvermuthet, sprunghaft, bald hier, bald dort spritzt es auf. Wie sollen sich die Arbeiter da schützen?
Gar viele von den Unfällen, namentlich von den Verbrennungen könnten leicht vermieden werden. Es muß nicht sein, daß die Arbeiter immer und immer die Möglichkeit höheren Profits mit ihrer Gesundheit bezahlen müssen.
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Das Ende des Abstiches bietet ein schaurig-schönes Bild. Geht das Eisen zu Ende, dann muß der Strom schon an der Stichlochöffnung gespannt werden. Der Schmelzer schiebt dann eine Eisenstange mit einem Schlackenkopf, einem sogenannten «Knödel», in die Oeffnung. Das flüssige Eisen nimmt sofort den Kampf gegen das Hinderniß auf. In meterweitem Umkreis schlägt eine Flamme auf und ein Sternfeuerwerk spritzt bis in die Gußhalle. Da mag sich der Schmelzer eilen, daß er aus dem Bereich der glühenden Geschosse kommt. Er flieht in die Gußhalle oder neben dem breiten Pfeiler hinaus ins Freie, wohin auch eine Schlackenrinne ihren Weg nimmt. Ist das Eisen verlaufen, dann quillt noch dickflüssige Schlacke nach. Sie wird zu den an der Mauer der Gußhalle vorgerichteten Gruben, aus denen die Schlacken dann als «Bajazzeln» gehoben werden, geleitet.
Ist auch die Schlacke abgelaufen, dann muß das Stichloch wieder geschlossen werden. Zuerst wird es mit dem «Rapo», einer Eisenstange zugestopft, dann wird ein Holzprügel, das Stichholz, in die Oeffnung getrieben und schließlich Alles mit Schlacke vermacht. Nun muß der Wind abgestellt werden. Die Schmelzer vertheilen sich auf die Schuber der Gebläseführung und auf Kommando werden die Schuber zugleich geschlossen. «Zue! Zue!» hallt es mit rauhem Stimmklang um den Ofen herum.
Während nun das Gebläse abgestellt ist, kann das Stichloch ordentlich vermacht werden, so daß es luftdicht geschlossen ist. Ist das geschehen, dann gibt der Vorschmelzer das Kommando: «Auf!» und seine drei Helfer öffnen wieder unter Zuruf die Schuber. Die bis zu 500 Grad erhitzte Luft strömt wieder in den Ofen, der Schmelzprozeß nimmt seinen Fortgang.
Mittlerweile ist die Arbeit der Eisenakkorder schon sehr weit vorgeschritten. Sie sind schon daran die Massel hinauszuschaffen. Der Dampf ist verflogen, die Gußhalle liegt wieder im Halbdunkel da. Eine kurze Rast und die Schmelzer gehen wieder an die Vorrichtarbeit, an das Rinnenputzen und Beetelmachen.
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Die Löhne der Schmelzer sind auch derart eingetheilt, daß der antreibende Sklavenvogt überflüssig ist. Die Peitsche schwingt auch über den Schmelzern das Prämiensystem. Der Vorschmelzer hat einen Schichtlohn von fl. 2.30, sein erster Helfer einen von fl. 1.65 und der zweite und dritte Helfer bekommen für die zwölfstündige Arbeit beim Hochofen fl. 1.55. Ebenso die andere Schicht. Als normale Arbeitsleistung wird die Gewinnung von 3 ¾ Waggons Graueisen innerhalb 24 Stunden verlangt. Was beide Schichten darüber erzeugen, dafür erhalten sie eine Prämie, und zwar beim Graueisen von fl. 2.40 per Waggon, so daß für jeden mehrgewonnenen Waggon jeder der acht Schmelzer (bei beiden Schichten) 30 kr. Prämie erhält. In Anbetracht der niedrigen Schichtlöhne ist diese Prämie hoch genug, um einen steten Ansporn zu bilden, die Kräfte aufs Aeußerste anzuspannen.
Beim Weißeisenofen müssen in 24 Stunden 5 ½ Waggons erzeugt werden und die Ueberwaggonprämie beträgt fl. 1.60. Die Lohnmathematiker der Alpinen haben dies Alles so fein berechnet, daß kein Schmelzer vor dem anderen den Vorzug hat. Gleiche Ausbeutung für Alle! Der Kapitalismus hat Grundsätze.
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Das Maschinenwartepersonal gehört auch noch zu den Hochofenarbeitern. Sie haben verschiedene Löhne und einige von ihnen haben auch Prämien. So hat der Maschinenwärter bei der Gicht fl. 2.10 und 4 kr. für die Uebergicht (33 und ff.), der Schmierer fl. 1.50 bis 1.80. Der Maschinenwärter bei der «Schale» hat fl. 2.10, der Schmierer fl. 1.30 bis 1.50. Für die Uebergichten bekommen diese Beiden nichts, wahrscheinlich, weil sie mehr Arbeit haben. Die zwei Heizer bei den Whitwell’schen Apparaten haben fl. 1.55. Zur Bedienung der vier noch älteren Winderhitzapparate (für den Zweierofen), von denen in der Regel zwei in der Reparatur sind, ist ein Heizer bestellt. Er hat fl. 1.55 und 2 kr. per Uebergicht. Die zwei Kesselwärter haben einen Schichtlohn von fl. 1.90.
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In der Gießerei, die zwischen den beiden Gußhallen untergebracht ist, werden nur Artikel für den Bedarf des Werkes gegossen. Sie ist klein und kaum der Rede werth. Es wird in ihr nur bei Tag gearbeitet.
Wir sind nun mit der Hochofenarbeit fertig und folgen den Eisenakkordern, die auf eisernen Karren die Massel in die Puddelhütte führen, dort wollen wir den Prozeß der Weiterverarbeitung des Eisens kennen lernen.
III: Österr. Metallarbeiter Nr. 1 vom 3. 1. 1901
Die Puddelhütte.
Aus dem Roheisen muß erst schmiedbares Eisen gemacht werden. Nach einer in dem Werke von Schwaiger-Lerchenfeld «Im Reiche der Cyklopen» enthaltenen Schilderung ist der Vorgang beim Puddeln der folgende: «In den auf helle Glühitze gebrachten, von der vorigen Hitze noch eine gewisse Menge Schlacke enthaltenden Ofen werden etwa 300 Kilogramm Roheisen eingesetzt und bei geschlossener Thür unter lebhaftem Feuer zum Schmelzen gebracht, was in etwa einer halben Stunde eintritt. Während dieses Prozesses findet durch den in dem Feuergase enthaltenen Sauerstoff und der Kohlensäure eine Oxydation des Eisens statt; gleichzeitig verbrennt das im Eisen enthaltene Silizium. Nun legt sich aber die Schlacke auf das schmelzende Eisen, und es würde dadurch die oxydirende Wirkung des Feuergases ausgeglichen, wenn der Puddler nicht mittelst des Hakens die Schmelzmasse in Bewegung erhielte. Die Oxydation erstreckt sich im Verlaufe des Prozesses auch auf das Mangan und das Eisen selbst, wobei außer dem Sauerstoff auch das in der Schlacke enthaltene Eisenoxyd zur Wirkung kommt. Dieses ergänzt sich theils durch die Luft, theils durch Garschlacke und Hammerschlag, die man einbringt. Schließlich beginnt der Kohlenstoff zu oxydiren, was man an den blauen Flammen verbrennenden Kohlenoxydes, die aus der Schlacke aufzüngeln, erkennt.
In diesem Stadium ist das ganze Bad in kochender Wallung, und die Schlacke beginnt durch die Arbeitsthüre abzufließen. Infolge der gesteigerten Temperatur schreitet die Entkohlung rasch vorwärts und es tritt der Moment ein, wo das Bad strengflüssig wird, das heißt das Eisen, dessen Schmelztemperatur nun höher liegt als die Temperatur im Ofen, zu erstarren beginnt. Damit hat das Umrühren sein Ende. Da aber die zu Schmiedeeisen verwandelte Masse noch nicht gleichmäßig entkohlt ist, vollführt der Puddler eine zweite Operation, die des Aufbrechens und Umsetzens. Er vertauscht den Rührhaken mit einer starken Brechstange (»Spitze«), mittelst welcher er die erstarrte Masse in Klumpen zerbricht und aufeinanderhäuft. Diesen Vorgang kann man im Bedarfsfalle mehreremale wiederholen. Zuletzt wird der ganze Eisenballen in eine Anzahl Stücke zertheilt und jedes von ihnen mittelst der Spitze so lange im Herde hin und her gerollt, bis er sich der Kugelgestalt genähert hat. Bei diesem Vorgange werden die auf dem Herde herumliegenden kleineren Eisenmengen mit den einzelnen Eisenballen zusammengeschweißt.
Diese Ballen heißen Luppen, und es erübrigt dem Puddler weiter nichts, als durch abermalige Steigerung der Temperatur eine Ausscheidung der das schwammige Eisen durchsetzenden Schlacke zu bewirken. Da dies nicht in vollkommener Weise gelingt, entnimmt der Puddler durch die geöffnete Einsatzthüre mit einer großen Zange eine Luppe nach der anderen dem Ofen und bringt sie unter den Dampfhammer, unter dem sie vorsichtig zusammengedrückt wird.
Es ist der größte Vorzug des Dampfhammers, daß seine Schläge sich so empfindlich reguliren lassen. Der Eisenball, der anfangs durch einen kräftigen Schlag in Brocken auseinanderfliegen würde, nimmt durch den sanfteren Druck größere Konsistenz an, indem die Schlacke ausfließt und die Eisenkörnchen aneinanderschweißen. Erst wenn dies erzielt ist, schreitet man unter kräftigen Schlägen und kunstgerechtem Wenden und Drehen des Klumpens, den eine aufgehängte mächtige Zange hält, zum definitiven Gestalten der Form. Nachdem man so das Eisen durch Hämmern in eine vierseitige prismatische Form gebracht hat, gelangt es, eventuell nach vorherigem Wiedererhitzen im Flammenofen, zu den Walzwerken, die durch verschiedene, immer enger werdende Oeffnungen den Querschnitt immer mehr verringern.»
Den hier geschilderten Verlauf nimmt der Puddelprozeß indeß nur bei siliziumreichen Graueisen. Das Weißeisen muß viel weniger gerührt werden. Beim Weißeisen beginnt der Entkohlungsprozeß schon beim Einschmelzen.
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Die Arbeit beim Puddelofen ist eine fürchterliche. Der Puddler ist den größten Qualen ausgesetzt, und er ist dank dem Sparsystem dabei der gehetzteste Arbeiter. Während der Ofen im Gang ist, haben die fünf Arbeiter, die bei ihm zu thun haben, keinen Moment der Ruhe. Bald da, bald dort müssen sie zugreifen. Der Betrieb duldet keine Unterbrechung, und so können den Arbeitern kurze, viertelstündige Pausen von anderthalb zu anderthalb Stunden nur dann zugeführt werden, wenn sich die Werksleitung entschließen würde, die Puddlerpartie um einen Mann zu vermehren. Dies wird sie freilich erst thun, wenn sie dazu gezwungen wird. Die Puddler selbst müßten da ihr Interesse zu wahren verstehen und die Vermehrung ihrer Zahl im Interesse der Gesundheit Aller begehren und – durchsetzen. Daß dies nur mit Hilfe einer mächtigen und starken Organisation möglich ist, haben die Puddler beim letzten Streik gesehen.
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Die «Fütterung» des Puddelofens. Die Puddelöfen werden im Schwechater Werk Sonntag Abends um 10 Uhr angeheizt und so weit erwärmt, daß der Arbeitsprozeß beginnen kann. Zunächst bekommt der Ofen sein Futter, das heißt der Schmelzraum im Ofen wird mit den beim Dampfhammer und bei den Luppwalzen abgefallenen Schlacken ausgelegt, ausgefüttert. Dann werden die Roheisenstücke eingeführt. Dies geschieht mit Hilfe von flachen eisernen Schaufeln, die etwa wie Ruder aussehen. Während der eine Puddler die Schaufel an die Ofenöffnung ansetzt, legt der zweite die zerschlagenen Eisenstücke auf die Schaufel und hebt dann mittelst Hebel die schwere eiserne Fallthüre, welche die etwa 3 Quadratfuß große Oeffnung des Ofens abschließt..
Wir sehen auf einen Augenblick in das weißgluthige Innere des Ofens, in dem wir nichts unterscheiden können. Ob es glühende Luft, ob es ein fester Stoff ist, der da drinnen glüht, das ungewohnte Auge des – «Reservearbeiters» vermag dies nicht zu unterscheiden. Die Puddler freilich unterscheiden sehr genau. Für sie nimmt die Gluth da drinnen immer festere Formen an.
Zunächst sehen sie einen dickflüssigen Brei, den sie tüchtig durcheinander rühren, wie die sorgende Mutter am häuslichen Herd das «Kinderpapperl» rührt, das «Grieskoch», oder der steirische Holzknecht seinen «Sterz». Mit langen Stangen bewehrt, die sie durch ein Loch in der Fallthüre einführen, rühren sie den Brei, theilen ihn schließlich und formen ihn zu möglichst runden Klötzen, den Luppen. So weit an der Rückseite des Ofens.
An der Vorderseite stehen dem Vorpuddler zwei Hilfskräfte zur Verfügung, die nicht nur die Feuerung zu besorgen haben, sondern auch mit den Stangen und Haken den Brei rühren, puddeln (von dem englischen «puddle» = umrühren) müssen.
Der Ofen verschlingt unglaubliche Kohlenmengen. Der Heizer ist fast fortwährend beschäftigt, den Brand zu nähren. Jede Minute fast wirft er zwei, drei, vier Schaufeln Kohle in den Bauch der Feuerung, aus der bei jedem Oeffnen der schweren Eisenthüre eine meterhohe Flamme schlägt.
Nach einiger Zeit tritt der Vorpuddler in Aktion. Der Brei ist im Innern bereits in «Luppen» zertheilt, und nun gilt es, die Luppen dem Ofen zu entreißen. Der Vorpuddler legt eine etwa 2 Meter lange Zange mit scharfen Fangarmen auf die Arbeitsplatte, der erste Gehilfe hebt die Fallthüre. Nun dringt die Zange vor, mitten hinein in das Weißgluthmeer, in dem sie für unser Auge formlos, wesenlos verschwindet. Der Vorpuddler, der sie dirigirt, sieht freilich die Zange und das Stück, das sie fassen soll.
Plötzlich erscheint in der Arbeitsthüre ein mächtiger glühender Klotz von anderthalb Fuß Durchmesser etwa. Die Zange hält ihn sehr fest gefangen und zerrt ihn aus dem Gluthbade in das Dunkel der Hütte.
Rothglühend leuchtet der nicht eben runde Klotz auf, da er mit der atmosphärischen Luft in Berührung kommt. Eben noch unsichtbar, nimmt er jetzt auch für das Auge des Neulings feste Gestalt an, und da er im nächsten Moment auf den Luppenwagen geworfen wird, vermittelt er durch den dumpfen Auffall auch dem Ohre die Kunde von seinem Dasein.
Den Luppenwagen hatte inzwischen der «Luppenradler» vor die Arbeitsthüre geschoben. Es ist ein Zweiradler mit eisernem Gestell, so etwa wie die Zweiradler zum Transport eines Bierfasses, deren sich die großen Bierdepots bedienen. Zum Ziehen dient eine Stange mit Quergriff. Kaum ist der Lupp auf dem Wagen, als der Luppenradler auch schon seine glühende Last zum Hammer führt. Auf dem Wege dahin schüttet ein Puddler einen Kübel voll Wasser auf den glühenden Eisenklotz.
Qualmend zischt es auf.
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Beim Dampfhammer. Der Luppenradler führt den Klumpen bis zum Amboß des Dampfhammers, der «Wender» richtet den Lupp zurecht und ruft dem im Stockwerk sitzenden Hammerführer das Stichwort zu. Geradezu sanft senkt sich der schwere Hammer auf den glühenden Klotz und quetscht ihn zusammen.
Funken sprühen, und wie der Wasserstrahl aus der Spritze, so schlagen feurige Strahlen aus dem Klotz und prallen an die Schutzwände an, die um den Hammer gestellt sind.
Nur nach einer Seite hin ist der Hammer nicht abgeschlossen. Hier steht der «Wender». Eine hohe rußige Gestalt, die Beine eingeschient, die Hände in Ledern steckend, vor dem Gesicht eine eiserne Drahtnetzmaske, ein Schutzleder auf dem Kopfe – so steht der Ritter des Dampfhammers dort. Seine Hände dirigiren die Fänge einer großen Zange, die an einer Kette hängt.
Unhörbar geht der Hammer wieder in die Höhe und holt zu einem neuen Schlage aus. Der Wender hat inzwischen den Lupp gewendet, und da der Hammer jetzt wieder niedersaust, nimmt der Klotz schon mehr prismatische Form an. Der nächste Schlag trifft schon das aufgestellte Prisma, ihm vollends die Form gebend. Nun erst saust der Hammer kräftiger nieder, und unter seinem Schlag wird die Restschlacke ausgepreßt und das Geschiebe des Eisens dichter. Noch einige Schläge, und aus dem Lupp ist ein «Zargel» geworden, ein meist vier- oder achteckiges prismatisches Eisenstück, das im Schweißofen weiterverarbeitet wird.
Schon erscheint ein neuer Mann auf dem Plan: der Zargelführer. Vom Hammer weg führt zur Luppenwalze ein Laufkrahn. An einer Kette hängt vom Krahn eine kräftige Zange herab. Mit dieser packt der Zargelführer das noch immer glühende Prisma an und läßt es nun die Luftreise zu der Luppenwalze antreten. Diese muß der «Zargel» zwei-, dreimal, auch viermal – je nachdem – passiren. Durch immer engere Walzenzwischenräume wird das Prisma geschoben, das nun länger und gefälliger in der Form, aber auch nochmals gefestigt und entschlackt auf die Luppenstrecke kommt. Hier nehmen das Eisenstück die «Gradrichter» in Empfang, die es je nach seiner Länge entweder noch unter die «Zargelscheere» bringen und es dort in kleinere Stücke schneiden lassen, oder sie schlichten die Barren nach dem Strecken und Gradrichten auf dem «Platz» – im Hofe – auf.
Von hier erst wandert das Eisen – jetzt schon in sogenannten «Packeten» – zu den beiden Schweißöfen der Mittelstrecke, wo es nach nochmaliger Durchglühung gewalzt wird. Doch davon später! Vorläufig müssen wir noch ein wenig zu den Puddlern zurückkehren.
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Die Leiden der Puddler, dieser Feuerarbeiter im vollsten Sinne des Wortes, die gleich den Glasmachern aus dem glühenden Bauch des Ofens glühende Masse ziehen und mit ihr hantiren müssen, die Leiden dieser Menschen sind es, die wir noch zu schildern haben. In der Zugluft einer offenen Thüre stehen wir, kaum fünf Schritt von dem Ofen entfernt. Die Situation ist unbehaglich: Vorne der heiße Hauch der Glühhitze, im Rücken die rauhe Nachtluft des Dezembers. Wir avanciren in die Nähe des Ofens und lehnen uns an die Mauer, um den Rücken zu decken. Im Schweiße ihres Angesichts rühren die Puddler den Eisensterz im Ofen, das Gesicht von der Einwirkung der strahlenden Ofenhitze hoch geröthet, und dabei umstreicht sie von der Seite her die kalte Dezemberluft, die bei den großen Thoren ungehindert ein- und ausströmen kann. Auch an den anderen Seiten des großen Hallenbaues sind die schweren Thüren offen.
Glühhitze und Zugluft, das kann der Körper nicht vertragen, und früher oder später muß dies zur Katastrophe führen. Als ich mit meinem Führer am nächsten Mittag in einem Schwechater Gasthaus saß und mit ihm die Erfahrungen der Nacht rekapitulirte, traf es sich, daß draußen auf der Straße ein Gespenst vorüberschlich. Ein hohlwangiger Mann, der beim Gehen in sich zusammenzuschliefen schien – so sehr verschwand er in dem hochgeschlossenen Winterrock mit aufgestülptem Kragen – kam draußen vorüber.
«Da geht g’rad a Puddler,» sagte mein Führer. «Da hab’n S’ a Beispiel, wie die Leut’ beim Puddelofen herg’richt’ wer’n. Vielleicht, daß er no’ den März oder April mitmacht ..., und war so a Bärenmensch.»
Heute ist der Bärenmensch ein Opfer der Tuberkulose. Mehr Gespenst als Mensch schleicht er hin, den Tod vor Augen, der ihn bald erlösen wird. Seine Stelle beim Puddelofen ist längst ausgefüllt, und sinkt er hinab, dann wird auch seine Stelle unter den Opfern bald ausgefüllt sein....
Puddlerschicksal!
Es wäre dringend Pflicht des Gewebeinspektors, diese mörderische «Ventilation» abzustellen. Sie muß naturnothwendig immer neue und neue Opfer zeugen.
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Die Luppenradler. Am schlimmsten von allen Puddelofenarbeitern sind die Luppenradler daran. Ihnen fällt eine zweifache Aufgabe zu: Während der «Charge» müssen sie die sechs bis acht Luppen, die bei jeder Charge aus einem Ofen genommen werden, zum Dampfhammer radeln. Einen glühenden Klotz, von dem man kaum anderthalb Meter weit entfernt ist, zu führen, erfordert an sich schon eine starke, abgehärtete Natur. Diese schweißtreibende und gehetzte Arbeit aber in einem zugigen Raum verrichten zu müssen und dann oft mit keinem trockenen Fetzen am Leib direkt in die kalte Nacht hinaus zu müssen, um Kohlen dem Ofen zuzuführen – das ist die zweite Pflicht der Luppenradler – das erfordert Eisenmenschen. Und es sind doch nur hungernde Proletarier.
Dazu kommt, daß diese Hast der schwersten Arbeit, dieses abwechselnde Einwirken von Hitze und Kälte zwölf Stunden lang fast ohne Unterbrechung fortgeht. Nicht einmal zum Essen haben die Luppenradler Zeit. Kaum ist die Charge zu Ende, ist auch schon der Kohlenberg bei der Feuerungsstelle so zusammengeschmolzen, daß der Luppenradler sich sputen muß, um wieder so viele Kohle hereinzuführen, als die nächste Charge erfordert. Will er essen, so muß er jetzt einen Bissen nehmen und dann wieder und mit vollem Mund weiterschuften.
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Das Nachtmahl beim Puddelofen ist überhaupt so. Zum Essen hat Keiner Zeit, nicht der Vorpuddler, nicht der Vize, nicht der erste, zweite und dritte Helfer und nicht der Luppenradler.
An der Wand, knapp neben unserem Standort, ist eine Rastbank. Es ist etwa 8 Uhr, als nach und nach Frauen und Kinder mit Körben am Arm anrücken. Sie bringen den Sklaven der Puddelöfen das Nachtessen – in Reindeln, Häferln und kleinen runden Schüsseln. Auf der Bank neben uns hat ein etwa achtjähriges Blondschöpferl Platz genommen. Das fadenscheinige Kleiderl ist durch ein großmaschiges Umhängtuch sichtbar. Mit der kleinen Anna ist eine Frau gekommen, die Mutter der Kleinen und die Gattin des rußigen Mannes, der dort unverwandt in die Gluth starrt und dabei das Eisen rührt.
Ob er sie kommen gesehen? Keine Miene verräth es – er ist ganz Arbeit, er rührt und rührt, wechselt die Stange und rührt wieder. Da er nach der anderen Stange langte, sah er seine Lieben. Ein Gruß mit Blicken, dann rührt er weiter. Endlich ist er – frei. So denken wir wenigstens.
Er tritt zur Bank, hebt die Kleine zu sich, küßt sie und wendet sich dann der Mutter zu. Diese reicht ihm ein nasses Tuch. Damit fährt er sich über das schweißig-rußige Gesicht, wischt sich die Hände ab, trocknet sich und fängt mit der Gabel einen Brocken aus dem Reindl heraus, das die Frau neben das Kind auf die Bank gestellt hatte. Hastig führt er den Bissen zum Munde und greift im nächsten Moment wieder zur Stange, um das Eisen zu rühren.
Kein Mahnwort, kein Zuruf hat ihn daran erinnert, er weiß, was er dem Ofen schuldig ist. So geht das etwa eine halbe Stunde fort. Bissen um Bissen kaut er während der Arbeit. Zwischen Bissen und Bissen verstreichen Minuten.
Was er ißt?
Sauerfleisch mit Kartoffeln – eine Volksküchenspeise!
Endlich kann er die «Tafel aufheben», wie es in der Sprache der Gesellschaftsschichte heißt, zu der die Aktionäre und Direktoren der «Alpinen» zählen. Die Frau packt das Häferlzeug wieder zusammen, in einem freien Augenblick hebt der Puddler wieder sein Töchterlein zu sich und küßt es – dann verschwinden Frau und Kind im Dunkel der Nacht außerhalb der Hütte.
Das Familienbild beim Puddelofen ist verflogen.
Heller Metallklang durchzittert taktgemäß die Hütte – eine Charge ist zu Ende, sie wird an einer beim Dampfhammer angebrachten Metallplatte abgeschlagen. Bald darauf tritt ein anderer Puddler zu der Platte und kündigt durch Trommeln auf der Platte an, daß bei einem anderen Ofen mittlerweile schon wieder eine «Charge» reif geworden ist.
So geht es fort, das schaurig-schöne, gespenstische Treiben voll Eigenart, aber auch das menschenmordende Vorwärtspeitschen, von Montag Früh bis Samstag Abends – ohne eine Sekunde Unterbrechung. Der Begriff Rast ist in der Puddelhütte unbekannt.
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Die Löhne der Puddler sind bei all’ dieser Plage und Aufreibung recht gering. Es erhalten der Vorpuddler im Sommer bei achtstündiger Schicht Kr. 1.70 für 1000 Kilogramm, im Winter bei zwölfstündiger Schicht Kr. 1.32. Der Puddler erhält im Sommer Kr.1.60 per 1000 Kilogramm, im Winter Kr. 1.30; der erste Helfer Kr.1.40, respektive 98 H. (im Winter) und der zweite Helfer Kr. 1.25, respektive 90 H. per 1000 Kilogramm. Soweit die Akkorder. Der Luppenradler hat einen festen Lohn per Schicht von Kr. 2.90, bis Kr. 3. – Die Lohnsätze sind bei längerer Schicht immer niedriger gestellt, dies darum, weil die Lohnmathematiker der Alpinen nicht wollen, daß die Sklaven des Puddelofens bei zwölfstündiger Arbeitszeit mehr als bei achtstündiger verdienen. Es soll den Hüttensklaven offenbar der Segen kürzerer Arbeitszeit recht deutlich gemacht werden.
Was wäre zur Besserung zu thun? Es müßten
1. |
die Schichten verkürzt werden, also auch im Winter drei Achtstundenschichten statt zwei Zwölfstundenschichten gemacht werden; |
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müßte die Bedienungsmannschaft des Puddelofens um einen Helfer vermehrt werden, so daß immer auf kurze Pausen ein Mann frei sein kann; |
3. |
müßte neben oder in der Hütte ein geschlossener Erholungsraum für die Puddler und Luppenradler errichtet werden; |
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müßten die beiderseits offenen Thüren durch eine den Raumverhältnissen entsprechende Ventilation ersetzt werden, und |
5. |
müßte den Luppenradlern das Kohlenzuführen erspart bleiben. Diese meistgeplagten Hüttenarbeiter würden sich auch dann noch ihr Brot schwer genug verdienen, aber sie wären wenigstens vor den schlimmsten Erkrankungen geschützt. |
Diese Forderungen haben nicht etwa die Puddler erhoben, sie müssen sich Jedem aufdrängen, der unvermuthet diese Arbeit beobachten kann. Schad, daß der Herr Gewerbeinspektor nicht auch einmal als «Reservearbeiter» da hineinkommen kann. Er müßte dann sagen, daß die Arbeiter der Puddelhütten noch lange nicht auf Rosen gebettet wären, wenn diese Forderungen schon erfüllt wären. Sie wären auch dann noch Menschen, die ihre Kraft zu schwerer, gefährlicher Arbeit um kargen Sold verdingen müßten.
IV: Österr. Metallarbeiter Nr. 2 vom 10. 1. 1902
Im Walzwerk.
Von der Puddlerhütte weg gehen wir zum Walzwerk, wo wir auch noch viel zu sehen haben. Auf dem Wege dahin passirte mir ein kleiner Unfall, den ich verzeichne, weil er charakteristisch für die Gefahren ist, die im Werk überall lauern. Wir gingen zwischen einer Hüttenwand und einem Puddelofen durch, und dabei machte ich plötzlich einen Fehltritt. Ich lag in einer Grube. Geblendet von dem Licht einer offenen, nicht durch eine Milchglaskugel geschützten Bogenlampe hatte ich im Dunkel dieser Passage die Aschengrube des Puddelofens übersehen und war in sie gestürzt, zu meinem Glück ohne ernsten Schaden zu nehmen. Eine Hautabschürfung nahm ich gerne für diese Erfahrung in Kauf, denn sie bewies mir, wie recht die Arbeiter haben, die über die Gefährlichkeit dieses grellen Lichtes einerseits und der total mangelnden Beleuchtung an anderen Stellen des Werkes Klage führten.
Wo sollte auch die «Alpine» Glaskugeln für die Bogenlampen hernehmen? Da mag lieber die Unfallversicherung zahlen!
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Auf der Mittelstrecke. Im Schwechater Walzwerke sind zwei Strecken in Betrieb. Die Mittelstrecke mit zwei und die Feinstrecke mit einem Schweißofen. Den Zwecken, die wir verfolgen, genügt es, die Arbeit bei einer Strecke zu schildern. Das gepuddelte Eisen wird in sogenannten «Packeten» dem Schweißofen überantwortet. Mehrere der von der Luppenstrecke kommenden Eisenprismen werden zusammen als Packet in den Schweißofen eingesetzt und durch den Einfluß der Hitze zusammengeschweißt. Jede eingesetzte Partie heißt auch hier eine Charge. Nach Dreiviertel- bis einer Stunde etwa können die Packete dem Ofen entnommen werden. Der Schweißer hebt das glühende Stück mit einer Zange aus dem Ofen, dessen Arbeitsöffnung gleichwie beim Puddelofen mit einer Fallthüre verschlossen ist. Von der Arbeitsplatte weg übernimmt das Stück der Zargelführer, der es mit Hilfe eines Laufkrahnes zu den Walzen bringt und es gleich zwischen zwei rotirende Walzen einführt. Das Stück gleitet zwischen den Walzen durch und wird dabei durch den Druck der Walzen gedehnt, gestreckt. Das ¾ Meter lange Stück ist nun schon 1 Meter lang. So läuft es auf beiden Seiten, immer wieder von den Walzern aufgefangen, immer durch engere Walzen, bis es schließlich als etwa 10 Meter lange glühende Eisenschlange über eine Rinne zur eisengepflasterten Strecke läuft.
Hier nehmen das Stück die Geradrichter in Empfang, die die weniger ausgeprägten Enden gleichklopfen und dann das Eisen in eine Gerade ziehen.
Kaltscheere und Wage sind die letzten Stationen, die das Eisen mitzumachen hat. Auf der Dampfscheere wird es in die dem Bedarf entsprechenden Stücke geschnitten und auf der Wage die Stücke zu Bünden von 40, 50, 60 Kilo – je nachdem sie der Markt begehrt – gewogen. Von der Wage weg übernimmt schon der Adjustirer das Eisen, der vier bis fünf dieser Eisenstücke von etwa 2 Meter Länge, 8 Centimeter Breite und 1 ½ bis 2 Centimeter Dicke «bindet». Er schlägt Eisenbänder herum, die früher glühend gemacht worden sind. Diese Bünde wandern dann in das Magazin.
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Kinderausbeutung im Hüttenbetrieb. Beim Schweißofen sind außer dem Schweißer und dem gleichfalls schon erwähnten Zargelführer ein Schürer, ein Kohlen- und ein Schlackenführer und ein Thürlzieher beschäftigt.
Die eiserne Fallthüre des Schweißofens hängt an einem längeren Hebel, weshalb eine geringere Kraftanwendung zum Heben der Thüre nothwendig ist. Dieser Umstand glaubt die Herren von der Alpinen schon zu berechtigen, zu dieser Arbeit kaum der Schule entwachsene Jungen zu verwenden. Wenngleich so jugendliche Kräfte – Jungen von 14 bis 16 Jahren – im ganzen Betrieb nur hier und bei der Feinstrecke Verwendung finden, so ist das dennoch ein Mißstand, der dringend der Abhilfe bedarf. 14 bis 16jährige Kinder in der Nähe strahlender Oefen und umgeben von tausenderlei Gefahren 12 Stunden im Tag schuften zu lassen, ist eine der schlimmsten Ausgeburten des Kapitalismus. Im Hüttenbetrieb haben so jugendliche Arbeiter nichts zu suchen, und sie können dort nichts finden als frühes Siechthum, frühen Tod.
Die Verwendung so junger Arbeiter ist natürlich in erster Linie auf den schlechten Akkordlohn zurückzuführen, den die Alpine zahlt. Früher standen die «Thürlzieher» im Schichtlohn, jetzt muß die Schweißerpartie den Jungen entlohnen.
In ihrem Hüttenbetrieb kennt die «Alpine» nur Akkordlohn. Sie zahlt per Meterzentner. Der «Chargenschreiber» notirt genau das verarbeitete Gewicht, und darnach werden die Arbeiter bezahlt. Außer einigen technisch qualifizirten Kräften, die halbwegs entsprechenden Akkord haben, sind alle Hüttenarbeiter unter aller Grenze schlecht bezahlt.
Nach einer annähernd richtigen Aufzeichnung bezieht der Schweißer in der Woche 30 bis 35 fl. (früher bis 1893 zirka 35 bis 45 fl.), der Zargelträger 14 bis 15 fl., der Schürer 10 bis 11 fl., der Kohlenführer 8 bis 9 fl., der Schlackenführer 7 fl. und der Thürlbub 4 bis 5 fl. Fünf Gulden Lohn für 72 Arbeitsstunden entspricht einem Stundenlohn von nicht ganz sieben Kreuzern. Diesen zahlt aber die Alpine den Proletarierkindern für eine Arbeit bei heißem Ofen und in Zugluft, für eine Arbeit, die die Gesundheit der Kinder untergraben muß, die die wenig widerstandsfähigen, schlecht, oft unterernährten Körper dieser Kinder für die Tuberkulose empfänglich machen muß, diesen Lohn zahlen die reichen Aktionäre armen Kindern für eine Arbeit, die außer den geschilderten Gefahren noch die stete Gefahr in sich birgt, daß während ihr durch spritzendes Eisen oder sonstwie durch Berührung mit dem glühenden Material die Arbeitenden schweren körperlichen Schaden nehmen können, umsomehr unerwachsene jugendliche Personen denen die Erfahrung mangelt, Gefahren richtig abzuschätzen.
Es ist eine Schande, daß Solches vor den Thoren Wiens, wo die Zentralbehörden ihren Sitz haben, möglich ist.
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Die Kohlenführer bilden nächst den Thürlbuben jene Gruppe, die unter dem Joch der Alpinen am schwersten seufzt. Der Kohlenführer ist durch 12 Stunden immer unterwegs – einmal in der heißen Hütte, dann draußen in stürmischer Nacht. Seine Arbeitsleistung in zwölf Stunden besteht darin, daß er 50 bis 55 Scheibtruhen Kohle – jede 80 bis 90 Kilo schwer – dem Schweißofen zuführt. Da im Schweißofen nur große Stücke verwendet werden, muß er die Kohle zuerst durchreutern, ehe er sie in den Schiebkarren schaufeln kann. Die Kohlenführer kommen im Akkord auf 8 bis 9 fl., dies für die allwöchentliche Beförderung einer Last von 26.000 Kilogramm. Wie sie mit diesem Jammerlohn die aufgebrauchte Kraft ersetzen, darnach fragt die Kouponschneidergesellschaft nicht.
Nächst den Kohlenführern sind die Schlackenführer besonders ausgebeutet. Ihre Arbeit ist wohl leichter, dafür haben sie aber auch nur etwa 7 fl. in der Woche. Beträgt der Akkord nicht mehr, so haben sie ein garantirtes Minimum von 1 fl. 20 kr. für die zwölfstündige Schicht.
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Lohndrückerei. Die Tendenz, die Löhne zu drücken und in erster Linie den Konkurrenzkampf auf Kosten der arbeitenden Hände auszufechten, gehört ebenfalls als eines der hervorragendsten Kennzeichen in den Steckbrief des Kapitalismus. Wo Alles liebt, kann die Alpine allein nicht hassen – den Profit, der ihr auf diese Weise zufließt. Wie sie es versteht, die Löhne «mit der Kaltscheer» zu beschneiden, werden wir an dem Beispiel der Entlohnung der Walzer sehen.
Bis zum Jahre 1893 war ein «gemüthliches» Leben in dem Walzwerk. Auch die Mittelstrecke hatte nur einen Ofen und so gab es zwischen Charge und Charge Pausen, während der die Strecken- und Walzarbeiter ausschnaufen konnten. Mit dem Einzug des Hüttenmeisters Schökl ist dies anders geworden. Die Arbeitskraft mußte mehr ausgenützt werden. Es wurde ein zweiter Ofen aufgestellt und nun löst eine Charge die andere ab, die Walzer sind fast ununterbrochen beschäftigt – dennoch ist ihr Lohn nicht höher, sondern niedriger geworden. Das kam so: Während bei einem Ofen die 13 auf der Mittelstrecke beschäftigten Arbeiter 53 kr. per Meterzentner hatten, bekommen nun, wo zwei Oefen in Betrieb sind, die jetzt beschäftigten 16 Arbeiter nur 34 kr. für den Meterzentner. Freilich können sie bei zwei Oefen mehr, fast das Doppelte produziren, wenn die Produktion nicht eingeschränkt ist, aber sie haben eine bedeutend erhöhte Arbeitsleistung zu liefern und in den Akkord theilen sich um vier Mann mehr, eigentlich um fünf Mann mehr. Während nämlich bis 1893 die Alpine den Schmierer und den Abkehrer im Schichtlohn zahlte, muß diese beiden Arbeiter jetzt auch die Strecke von dem so bedeutend herabgesetzten Akkord zahlen. Außerdem muß die Strecke noch Gratisarbeit liefern: Für das Schnitzauswalzen bekommt sie nichts. «Schnitz» oder «Schrott» sind die Abfallprodukte, die, damit ja kein Material verloren geht, zusammengeschweißt und ausgewalzt werden.
Diese Arbeit ist dazu besonders gefährlich. Das Abfalleisen spritzt sehr stark und die Walzer müssen auf der Hut sein, wenn sie nicht Verletzungen davon tragen wollen. Trotz ihrer Gefährlichkeit wird diese Arbeit immer schlechter entlohnt. Sie wurde bei einem Ofen mit 34 kr., bei zwei Oefen mit 23 kr. akkordirt, anstatt der Vollpreise von 53 kr. und 34 kr. Nun sollen die Walzer diese schlimmste Arbeit gar umsonst machen. Man sieht, was ein «tüchtiger» Hüttenmeister für die Kouponschneider werth ist.
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Bei der Feinstrecke ist die Kinderausbeutung eine besondere Gewissenlosigkeit. Die Herabsetzung des Akkords bei den Schweißöfen und Walzenstrecken und die Ueberwälzung der Entlohnung einiger Hilfskräfte auf die Akkordarbeiter mußte zur Folge haben, daß man zu Hilfsarbeitern nicht feuerharte Männer, sondern billige Kinder verwendete. Wie aus den «Thürlziehern» bei den Schweißöfen die «Thürlbuben» wurden, die man mit 4 bis 5 fl. für eine 6x12stündige Arbeit entlohnte, so wurden auch bei der Feinstrecke eine ganze Reihe von gelenkigen Jungen zum Dienst der Auffanger herangezogen. Wie feurige Schlangen, so schießen zwischen den Walzen, die immer dünner und länger werdenden Eisenstreifen hervor, der Junge erwischt den glühenden Streifen mit einer Zange und weist ihm den Weg auf die Strecke, und bringt ihn wieder unter die Walze. Es ist gar gefährlich, inmitten dieser Feuerschlingen, die sich bei einiger Unachtsamkeit des Auffangers um seinen Hals oder um seinen Leib, um sein Bein legen können, die sich zischend und sengend einbohren in das Fleisch und dem Unglücklichen, wenn sie ihn in der glühenden Umschlingung nicht ganz vernichten, doch einen bleibenden Denkzettel geben. Dazu aber werden im Schwechater Werk Jungen von 14 bis 16 Jahren verwendet. Feuerarbeit, verschärft durch besondere Gefahr, Kindern zu übertragen, ist wohl der Gipfel des Ausbeutungswahnsinns, der der kapitalistischen Wirthschaftsordnung den Stempel aufdrückt.
Schade, daß von dem Schwechater Werk keine detaillirte Unfall- und Krankenstatistik öffentlich zugänglich ist. An der Hand einer solchen könnte man ziffermäßig aufzeigen, von welchen Folgen die Lohndrückerei und Kinderausbeutung begleitet sind.
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Krankheiten und Unfälle. Die geschilderten Verhältnisse finden ihren ziffernmäßigen Ausdruck in der Kranken- und Unfallsstatistik, die mir zwar nur von einem Jahre und zwar von 1899 zur Verfügung steht, die aber dennoch schon eine sehr ernste und eindringliche Sprache führt. Im Jahre 1899 waren in der Schwechater Hütte im Jahresdurchschnitt 800 Personen beschäftigt. Dieser kleine Stand wurde von unverhältnismäßig vielen und schweren Krankheitsfällen und Verunglückungen heimgesucht. Es kamen 1169 Krankheitsfälle mit 10.368 Krankheitstagen und 452 Unfälle mit 4934 Heilungstagen und einem Todesfall vor. 800 Arbeiter leisten eine Summe von 240.000 Arbeitstagen und dieser stehen 15.441 Krankheitstage gegenüber, das heißt im Jahresdurchschnitt war jeder Arbeiter infolge der Ausnützung seiner Kraft im Schwechater Werk, oder infolge der mangelhaften hygienischen Einrichtungen und infolge des Fehlens der Arbeiterschutzvorrichtungen 19.3 Tage im Jahre krank.
Am schlimmsten war die Zahl der Erkrankungen im Erntemonat der Tuberkulose, im März: 161 Fälle mit 1500 Krankheitstagen verzeichnet der ärztliche Rapport.
Die meisten Unfälle ereigneten sich im August und zwar 51 mit 545 Krankheitstagen. Im anderen Hochsommermonat Juli stieß der bereits erwähnte tödliche Unfall einem Arbeiter zu.
Vergleicht man den Stand der Arbeiter mit der Gesammtziffer der Fälle, so kommt man zu dem Schlusse, daß jeder der 800 Arbeiter zweimal im Jahr sich ärztlicher Behandlung unterziehen mußte, sei es, weil er krank wurde, oder weil ihn ein Unfall betraf. 800 Arbeiter, 1632 Krankheitsfälle und Verunglückungen!
Wie viele werden sich ein dauerndes Leck geholt haben? Wie viele ein bleibendes Andenken, eine Narbe, eine Entstellung, einen ernsten Leibschaden?
Darüber schweigt die Statistik und nur die Sklaven der Alpinen wissen es und spüren es. Sie wissen auch, daß sie Tag für Tag, Stunde für Stunde, die sie in den schwarzen Hütten schuften, ihre geraden Glieder riskiren, auf’s Spiel setzen, damit die Aktionäre der Alpinen ihr sorgenloses Leben ruhig weiterführen können. Die überlange Arbeitszeit, die schlechte Ernährung als Folge zu geringer Bezahlung, die zugigen Hütten, die große Hitze während der Arbeit, endlich alle Gefahren dieser sind die Ursachen, aus denen diese Riesenziffern erwachsen. Ursachen, an denen die Herren vom Geldsack mit geschlossenen Augen vorübergehen, um nicht einen kleinen Theil des Mehrwerths opfern zu müssen, den sie aus den armen Arbeitern ziehen.
Ein Zauberwort nur können die Arbeiter ihren Ausbeutern entgegenrufen. Es heißt: Organisation. Wie überall, so wird auch hier der Kapitalismus erst andere Saiten aufziehen, bis seiner Macht eine andere Macht gegenüberstehen wird, die Macht der geeinten Arbeiterschaft.
*) Es ist wohl ein Frischofen gemeint, in dem das Roheisen zu Schmiedeeisen umgeschmolzen wird. zurück
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